Ausgabe Juli 2003

Hamsterforschung in Halle (Saale)

 Sonderbericht

Besuch bei Prof. Dr. Gattermann in der Universität Halle

 

Jeden Monat neu!

... zur Hamster Info Hauptseite

Hamster News - Das Magazin Archiv

 

 

Magazinausgaben:

Magazin Archiv

 

Hamsterinfo Newsletter

 
Möchten Sie unseren Newsletter mit aktuellen Informationen rund ums Thema Hamster erhalten?

Hier können Sie sich eintragen.

Erfahrungsberichte und Tipps zur Haltung der verschiedenen Hamsterarten.

 

Berichte von Exkursionen, Ausstellungen und Forschungen mit dem Thema Hamster.

 

Alle Inhalte wie Bild und Text unterliegen nach dem Urheberrechtsgesetz (UrhG) der Bundesrepublik Deutschland dem Verfasser. Jegliche Veröffentlichung des Bild- und Textmaterials in Printmedien (Zeitschriften, Bücher, Kopien usw.) oder anderen Internetseiten ist ohne Einverständnis des Verfassers (siehe Impressum) nicht gestattet.

Logo von www.hamsterinfo.de

 

Hamsterforschung in Halle(Saale)

Besuch bei Prof. Dr. Gattermann an der Universität Halle

Text und Fotos: Georg Leithold

 

Zoologisches Institut Halle

 

Martin Luther Universität Halle-Wittenberg

Am Domplatz 4: Hiert befindet sich das Zoologische Institut der Universität Halle-Wittenberg ...

 

... Links sieht man einen Teil des Doms, rechts daneben das Institutsgebäude.

 

Am 2. Juli 2003 besuchte ich Prof. Dr. Gattermann am Zoologischen Institut der Martin Luther Universität Halle-Wittenberg. Er begrüßte mich in seinem hellen und großen Büro, mit Blick auf ein Feldhamster Freigehege des Forschungsinstituts.

 

Feldhamster Freigehege

 

Zoologische Sammlung

Blick aus dem Büro: Hier sieht man (in der Bildmitte) das Feldhamster Freigehege, wo ein Pärchen dieser Hamsterart gehalten und ihr Verhalten studiert wird.

 

Ein Teil der Zoologischen Sammlung die die Wände der Institutsgänge schmückt.

 

Auf die Frage wie viele Hamster die Einrichtung beherbergt antwortete er "Es müssen wohl einige hundert sein - aber machen Sie sich doch selbst ein Bild", und lud mich zu einem Rundgang durch die Hamster-Forschungsräumlichkeiten in den Kellerräumen des Gebäudes ein. Ich war begeistert wie viele z.T. sehr seltene Hamsterarten dort gehalten werden. Vom Syrischen Goldhamster, über die domestizierten Zwerghamsterarten, bis hin zum Türkischen Hamster (Mesocricetus brandti) und - eine Sensation - sogar den Eversmann Zwerghamster (Allocricetulus eversmanni).

 

Türkischer Hamster

 

Eversmann Zwerghamster

Türkischer Hamster (Mesocricetus brandti)

 

 
Sensation: Erstmalig Eversmann Zwerghamster (Allocricetulus eversmanni).

 

Bei allen Arten handelt es sich fast ausnahmslos um Wildfänge und deren Nachkommen. Erstaunlicherweise waren die Wildfänge des Mesocricetus brandti sogar so zahm geworden, dass sie sich ohne Probleme streicheln ließen.

 

Besonders begeistert war ich von der großen Anzahl und Vielfalt von Versuchen zu den Themen Verhaltensforschung, Biologie, Systematik und Artenschutz, die dort in Bezug auf Hamster geführt werden. Die Hamsterforschung beschränkt sich jedoch nicht auf das Institutsgebäude, sondern findet auch in Feldversuchen nahe Halle, und in gebäudeangrenzenden Freigehegen statt (Bild.s.o.). Dort werden - wie im Feld auch - die Schlupflöcher der Feldhamsterbaue mit ringförmigen Sensoren versehen durch die die Nager schlüpfen.

 

Feldhamster

 

 

Freilandforschung: Der Feldhamster schlüpft gerade durch einen der Sensorringe in seinen Bau.

Foto: Dr. Peter Fritzsche

 
 

 

Mittels eines winzigen Transponders unter der Haut der Hamster wird die Aktivität der Tiere gemessen. Faszinierend war es auch, die Auswertung der Messdaten am Computer zu verfolgen. In den Tagen vor meinem Besuch schlüpften die Feldhamster fast pünktlich jeden Abend um 20°° Uhr aus ihrem Bau. Ein Indiz für die erstaunliche Genauigkeit der biologischen Uhr der Feldhamster! Auf Videoaufnahmen die nachts durch eine IR-Kamera aufgenommen worden waren konnte ich verfolgen, wie ein Feldhamsterweibchen vorsichtig aus Ihrem Bau schaute, die Umgebung taxierte, und dann langsam in Baunähe herumschweifte und schließlich mit Ihren Flankendrüsen die jungen Getreidepflanzen duftmarkierte.

 

Zuchtanlage für Zwerghamster

 

Spielwiese

In dieser Zuchtanlage für Zwerghamster erkennt man die verwendeten zweckmäßigen Käfige.
 
Auf der "Spielwiese" erhalten die Hamster sogar gelegentlichen Auslauf.

 

Doch zurück zur Forschungseinrichtung innerhalb des Gebäudes: Überwiegend werden die Hamster dort in zweckmäßigen Kunststoffwannen mit Gitterabdeckungen in einer Größe von ca. 30x40 cm (Zwerghamster) und ca. 40x60 cm (Mittelhamster) gehalten. Über vielen Käfigen befinden sich Bewegungssensoren (meist sogar die handelsüblichen aus dem Baumarkt), mit deren Hilfe die Aktivität der Hamster gemessen wird. Aber auch wesentlich aufwändigere Apparaturen kamen dort zum Einsatz: Beispielsweise wurden Sensorplatten unter die Käfige gestellt, und mit Hilfe winziger Microchips, die die Hamster tragen, die Bewegungen der Tiere präzise erfasst. Ein anderes Beispiel sind Klimaschränke in denen bestimmte klimatische Bedingungen und Lichtverhältnisse simuliert werden. Hier kann die Lokomotion der Hamster mittels Bewegungssensoren im Käfig und an speziellen  Laufrädern gemessen werden, und so ein Zusammenhang zum Tagesrhythmus und zu Temperaturschwankungen hergestellt werden.

 

Versuchsanordnung

 

Versuchsanordnung

Versuchsanordnung zur Untersuchung: Sucht sich ein Wild-Goldhamsterweibchen lieber ein Wild-Männchen (rechts) oder ein Labormännchen.
 
Versuchsanordnung: Hamsterkäfige mit Sensorplatten. Hier wird die Aktivität der Goldhamster genau bestimmt.

 

Der Besuch der Forschungseinrichtung war ein besonderes und sehr interessantes Erlebnis. Aber auch Prof. Gattermanns Ausführungen über die Entdeckungsgeschichte des Goldhamsters, die Feldforschung nahe Aleppo und Versuche in einem ausrangierten Gewächshaus waren sehr fesselnd. Wer mehr darüber erfahren möchte, dem sei die folgende Lektüre empfohlen:

 

 Interessanter Artikel von Prof. Dr. Gattermann "70 Jahre Goldhamster" als pdf-Datei. Vielen Dank!

Mit freundlicher Genehmigung: Forschungseinrichtung für experimentelle Medizin (FEM), Institut für Tierschutz, Tierverhalten und Labortierkunde der Freien Universität Berlin sowie dem Bundesinstit für gesundheitlichem Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV).

 

Im Anschluss an den Rundgang führte ich noch ein kleines Interview mit Prof. Dr.  Gattermann:

 

G. Leithold:

Welche Untersuchungen laufen zur Zeit an Hamstern an der Uni Halle?

Prof. Gattermann:

Es werden zum Beispiel Untersuchungen zum Sozialverhalten der Phodopus-Zwerghamster, zu den Unterschieden zwischen wilden Goldhamstern und Labor-Goldhamstern und Freilandversuche mit Feldhamstern durchgeführt.

 

G. Leithold:

Wie sehen Ihre bisherigen Erfahrungen mit dem Sozialverhalten der einzelnen Zwerghamsterarten aus?

Prof. Gattermann:

Da die Untersuchungen noch laufen, ist es schwierig jetzt schon eine zuverlässige Auskunft zu geben. Tendenziell kann man aber sagen, dass Hamster Einzelgänger sind. Einige Arten haben höhere Toleranzgrenzen als andere. Es könnte sein, dass z.B. beim Roborowski-Zwerghamster eine paarweise Haltung (Männchen/Weibchen) möglich ist. Genaue Erkenntnisse liegen aber zur Zeit noch nicht vor.

 

G. Leithold:

Welche Ziele werden mit der Forschung verfolgt? Welche Fragen stehen im Vordergrund?

Prof. Gattermann:

Es geht unter anderem darum neue Grundlagen zum Verhalten, der Biologie, der Systematik und für den Artenschutz zu gewinnen.

 

G. Leithold:

Wann haben Sie mit der Erforschung der Hamster angefangen, und was war der Anlass?

Prof. Gattermann:

Vor etwa 25 Jahren fing ich mit der Hamsterforschung an. Der Anlass für mein Interesse an dieser Tierfamilie waren wohl meine Erfahrungen Ende der 60er Jahre mit Feldhamstern. Zu dieser Zeit wurden die Feldhamster als Schädlinge bekämpft, und die Pelze für 90 Pfennig verkauft. Aus heutiger Sicht ist es mir fast peinlich, diese Geschichte zu erzählen, aber ich habe damals mein Taschengeld als Hamsterfänger verdient. Ironischerweise untersuche ich heute genau auf den Feldern, auf denen ich damals mit meinen 10-20 Fallen den Hamstern nachstellte, ihr Verhalten um Erkenntnisse für den Erhalt dieser Tiere zu gewinnen.

 

G. Leithold:

Für welche Versuche verwenden Sie Laufräder, und warum?

Prof. Gattermann:

Die Laufräder dienen zum einen der Messung des Wohlbefindens. Ein Hamster der nicht im Laufrad läuft, ist meist nicht gesund. Zum anderen werden natürlich mit den Laufrädern auch die Aktivitäten gemessen und dadurch Erkenntnisse über die biologische Uhr gewonnen.

 

G. Leithold:

Hat ein Laufrad negative Auswirkungen auf den Hamster?

Prof. Gattermann:

Nein. Es muss jedoch ein Durchmesser von etwa 25-30 cm aufweisen und darf durch seine Bauweise keine Gefahrenquelle darstellen.

 

G. Leithold:

Sie waren 1997 und 1999 in Syrien auf der Suche nach dem Goldhamster. Sind weitere Exkursionen z.B. auch ins Land der Zwerghamster, geplant?

Prof. Gattermann:

Es finden eigentlich jährlich "Hamster-Exkursionen" auch in die natürlichen Verbreitungsgebiete der Zwerghamster statt.

 

G. Leithold:

Kann man auch an diesen Exkursionen teilnehmen wenn man nicht an der Uni Halle arbeitet?

Prof. Gattermann:

Es ist normalerweise nicht üblich, dass Nichtinstitutsangehörige teilnehmen. Ausnahmen sind die Biologie-Studenten. Ich würde es aber auch niemandem raten, denn die Exkursionen sind harte Arbeit in landschaftlich wenig reizvollen Gegenden, und sie finden z.T. unter landesbedingten mangelhaften hygienischen Verhältnissen statt. Da sollte man z.B. einen starken Darm haben (lacht).

 

G. Leithold:

Wie groß schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass noch neue Hamsterarten entdeckt werden?

Prof. Gattermann:

Sie strebt gegen Null. Lediglich neue Stammbäume sind mit Hilfe der neueren molekulargenetischen Untersuchungen zu erwarten.

 

G. Leithold:

In wie weit sind die Ergebnisse Ihrer Untersuchungen auch für Heimtierhalter interessant?

Prof. Gattermann:

Als Wissenschaftler werte ich Daten aus und interpretiere diese auch im wissenschaftlichen Sinne. Einen direkten Bezug zur Heimtierhaltung kann man vielleicht in einigen Fällen herstellen und nutzen, jedoch wäre dies eine ganz andere Arbeit die in neuen Untersuchungen erbracht werden müsste. Ein Beispiel: Wir haben festgestellt, dass Hamster unter Stress leiden wenn man sie in die Hand nimmt. Die Frage ist nun, ob dieser Stress dem Tier schadet oder ob er ihm nicht sogar gut tut. In der Natur muss ein Hamster ständig auf nahende Gefahren achten. Er hört etwas rascheln, sieht einen vorbeiziehenden Schatten oder nimmt Gerüche von Fressfeinden wahr. Das alles setzt den Hamster ebenfalls unter Stress.

 

G. Leithold:

Welche Besonderheiten haben Hamster als Versuchstiere? In welchen Bereichen werden sie eingesetzt?

Prof. Gattermann:

Sie eigen sich sehr gut für chronobiologische Untersuchungen, und Fortpflanzungsforschungen. [Anm.: Chronobiologie: Wissenschaft von den zeitlichen Gesetzmäßigkeiten im Ablauf von Lebensvorgängen.]

 

G. Leithold:

Wie sieht die Zusammenarbeit mit der Universität Aleppo aus?

Prof. Gattermann:

Sie besteht aus einem Ideenaustausch und dem Austausch von Diplomanden und Doktoranden. Außerdem erhalten wir Hilfe bei der Kommunikation mit den Bauern vor Ort, und bei der Organisation von Exkursionen.

 

G. Leithold:

Wie wird die Forschung finanziert?

Prof. Gattermann:

Sie wird zu 50 % über den Uni-Haushalt, und zu 50 % über Drittmittel - also Spenden usw. finanziert. Es ist nicht immer einfach Gelder für eine Forschung zu erhalten die keinen wirtschaftlichen, sondern einen ideellen Gewinn erbringt.

 

G. Leithold:

Welche Universitäten forschen Ihres Wissens nach noch zum Thema Hamster?

Prof. Gattermann:

Die Universitäten in Bern/Schweiz, Robert Johnson in Ithaca/USA, Nicolas Mrosovsky in Canada und Stefan Steinlechner in Hannover. Außerdem gibt es seit kurzem auch eine Uni in China die sich intensiver mit Hamstern beschäftigt.

 

G. Leithold:

Vielen Dank für das Interview und die Führung durch die Forschungseinrichtungen.

Prof. Gattermann:

Vielen Dank für Ihr Interesse und Ihren Besuch.

 

 

Die Eindrücke und Informationen waren so umfangreich, dass ich sie im Rahmen dieses Beitrages gar nicht alle aufzählen konnte. Falls Sie Fragen haben können Sie mir gerne schreiben:

 

 

Text und Fotos: Georg Leithold

Das Hamstermagazin, online, Ausgabe Juli / Spezial

www.hamsterinfo.de